Nach einer zweimonatigen Lesereise durch die USA 1989, wurde ich 1991 eingeladen, ein Frühjahrssemester in Salem, Virginia, am Roanoke College zu verbringen. In meinem Vertrag stand „Wir freuen uns, dass Sie unser Gast sind, Sie haben keinerlei Verpflichtungen“. Das heißt, ich musste nicht unterrichten, lebte im Gästehaus und hatte viel Zeit für mich. Ich übersetzte viele meiner Texte ins Englische, hatte Lesungen an Nachbarunis, war in vielen Vorlesungen, half StudentInnen bei Französisch, hielt off campus einen poetry wokshop, der so gut lief, dass eine der Teilnehmerinnen die Abschlussrede ihres Jahrgangs in Gedichtform hielt und frenetisch applaudiert wurde. Lange vor Internet schrieb ich viele Briefe und meine damalige Lektorin Sylvia Treudl fand, daraus ließe sich ein Buch machen – und das taten wir. Der Titel „Amerikanische Verwunderung“ drückt aus, was ich empfand: Die Amerikaner verwunderten sich oft über mich Europäerin und mir ging es mit dem "american way of life" ähnlich ...
(...) Aber Christine Haidegger ist eine viel zu gescheite, sensible und humorvolle Autorin, um bloß ein weiteres Klischeeverstärkerwerk zu schaffen. Durch den genialen Kniff, ausschließlich in der zweiten Person zu erzählen, zu beobachten und zu reflektieren, entsteht ein angenehmes Gefühl der Vertrautheit mit dem Gegenstand und dem Leser, aber auch eine herrliche Doppelbödigkeit, die – ganz im Hegelschen Sinne – die Gegensätzlichkeit von Subjekt und Objekt aufhebt und zwar – ganz unhegelianisch – in höchst kurzweiliger Manier. (...) .
Die Du-Erzählerin, Nicht-Autofahrerin, Raucherin, Wein-und Biertrinkerin – gerät im Autofahrer-, Nichtraucher- und Abstinenzler geplagten Amerika immer wieder in kuriose Situationen. Sie lernt Schlange zu stehen um in einem halbleeren Lokal einen Tisch zugewiesen zu bekommen, nur in Begleitung Volljähriger Alkohol trinken zu dürfen, zu lächeln, wenn ein vorbeihechelnder Jogger sie angesichts der Zigarette in ihrer Hand fragt, ob sie ein Problem hätte. Sie lernt Golfkrieg-Patriotismus und Waffenvernarrtheit zu ertragen und alles „nice“ zu finden – und sie findet sich letzten Endes „wahrgenommener“ als in Europa, wohl, weil sie wesentlich mehr wahrnimmt als europäische Amerika-Klischees. (...)
Ein ungewöhnliches und ungewöhnlich lesbares Buch! (L.R. Fleischer)